Dr. Caroline von Kretschmann im großen Interview

Dr. Caroline von Kretschmann im großen Interview

"Da wo du bist, ist vorne" – über dienende Führung und Vertrauen als Schlüssel zum Erfolg
12.12.2024

 

Dr. Caroline von Kretschmann, Geschäftsführende Gesellschafterin Hotel Europäischer Hof Heidelberg, stand dem Innovationsmagazin "BUY-Werk" zum großen Interview zur Verfügung. Sie spricht darüber, was es mit einer dienenden Führung auf sich hat und erklärt, warum Vertrauen die Basis für erfolgreiche Führung ist. Das ganze Interview gibt´s gleich hier zu lesen.

 

Das 5 Sterne Superior Hotel in Heidelberg ist bereits seit über 20 Jahren Partner der progros und profitiert in allen Bereichen von den attraktiven Einkaufskonditionen und digitalen Lösungen der progros. Die geschäftsführende Gesellschafterin Dr. Caroline von Kretschmann leitet das 150 Jahre alte Traditionshaus in der vierten Generation.

Caroline von Kretschmann Porträt 2 - Kopie

Dr. Caroline von Kretschmann, Geschäftsführende Gesellschafterin Hotel Europäischer Hof Heidelberg

Zu Beginn Ihrer beruflichen Laufbahn starteten Sie zunächst eine Karriere als Unternehmensberaterin. Was hat Sie dazu bewogen, das Luxushotel in vierter Generation zu führen?
Gereizt hat mich die Möglichkeit, Verantwortung für unser Familienunternehmen zu übernehmen, das meine Urgroßeltern mit Mut aufgebaut und meine Eltern nun fast 60 Jahre mit großer unternehmerischer Leidenschaft und Herzblut erfolgreich geführt haben. Es stecken so viele familiäre Energien in diesem Hotel, und es ist faszinierend, welche Anziehungskraft Familienunternehmen auf ihre Nachfolger und Nachfolgerinnen ausüben. Zudem spürte ich, dass ich hier Teil von etwas Größerem sein kann, dass über mehrere Generationen aufgebaut und erhalten wurde und das nicht nur für unsere Familie, sondern auch für unserer Kolleginnen und Kollegen, für viele Bürger der Stadt Heidelberg und auch für viele unserer Gäste viel bedeutet. Unabhängig davon liebe ich es, Menschen glücklich zu machen. Und da ist die Hotellerie ein unendliches Feld.

 

Wie verlief der Übergang mit Ihren Eltern?
In Phasen und schrittweise. Ich bin 2010 zu Beginn tageweise ins Familienunternehmen eingestiegen, als meine Eltern noch voll in der Verantwortung und Führung des Europäischen Hofs waren. Mein Ziel war es, mir zunächst demütig die Branche, den Markt und das Unternehmen zu erschließen und projektbasiert nach und nach den Respekt der Kolleginnen und Kollegen zu gewinnen. Nach einer Reorganisation habe ich dann 2012 den Bereich Marketing und Vertrieb übernommen und bin schließlich nach einem Visions- und Strategieprozess in die Geschäftsführung der Betriebsgesellschaft eingetreten, die ich seitdem mit meiner Mutter führe. Mein Vater ist im gleichen Zug aus der operativen Gesellschaft ausgeschieden und führt seitdem die Besitzgesellschaft, die meiner Mutter und mir die Hotelimmobilie verpachtet und die 48 Gewerbeeinheiten inklusive der öffentlichen Tiefgarage verwaltet. Insgesamt haben wir die Nachfolge, glaube ich, sehr gut hinbekommen und wir arbeiten einfach gerne zusammen. Für mich war es auf jeden Fall eine der lehrreichsten, spannendsten und berührendsten Phasen meines Lebens.

2. Hotelhalle
4. Kurfürstenstube

Was waren die Erfolgsfaktoren für die Nachfolge?
Vorab war es hilfreich, dass wir grundsätzlich um die Besonderheit von Familienunternehmen wussten, die mit dem tendenziell beziehungsorientierten Familien- und dem ökonomisch orientierten Unternehmens- und Eigentumssystem aus drei nebeneinander existierenden und zum Teil nach unterschiedlichen Logiken funktionierenden Subsystemen bestehen. Darin angelegt sind widersprechende Rollen- und Verhaltenserwartungen an die darin tätigen Akteure und Akteurinnen. Was in dem einen System richtig ist, kann in dem anderen falsch sein. Es war gut, dass wir uns immer wieder klar geworden sind, in welcher Rolle wir gerade miteinander sprachen oder Konflikte austrugen. Sprach da z. B. die Nachfolgerin mit dem Vorgänger oder die Tochter mit dem Vater. Das macht einen fundamentalen Unterschied. Wenn zum Beispiel Beziehungskommunikation aus dem Familiensystem unreflektiert ins Unternehmen schwappt, können leicht Missverständnisse entstehen und umgekehrt. Ein wichtiger Erfolgsfaktor war auch, dass wir uns konstruktiv streiten konnten, was in Unternehmen generell, aber in Nachfolgen insbesondere, eine wichtige Transformationsressource und Erfolgsfaktor ist. Unser enges Band der Liebe war dafür die Grundlage. Ein guter Umgang mit Ambivalenzen, Kohärenzfähigkeit und die Fähigkeit zur Reflexion des Prozesses auf der Metaebene kamen als weitere Erfolgsfaktoren hinzu. Vorteilhaft war sicherlich auch, dass meine Eltern als dritte Generation selbst schon einmal Nachfolger waren. So konnten sie sich in mich hineinversetzen, und wir waren immer in der Lage auf Beispiele zu rekurrieren, als sie Nachfolger und Nachfolgerin waren. Gut lief schließlich, dass meine Eltern mich über den ganzen Prozess hinweg und in jeder Situation in meiner Rolle unterstützt haben, sowohl gegenüber den Kolleginnen und Kollegen als auch gegenüber den Gästen. Persönliches und kollektives Wachstum kann gerade im Kontext von Nachfolgen sehr berührend, beglückend und befreiend sein.

Im Jahr 2022 wurden Sie zum "Hotelier des Jahres" gekürt. Was glauben Sie, war der ausschlaggebende Punkt für diese begehrte Auszeichnung?
Zunächst einmal war es wirklich eine überwältigende Wertschätzung, diese renommierte Auszeichnung zu erhalten – dies als Quereinsteigerin und nachdem meine Eltern 2006 schon den Special Award erhalten hatten. Ich glaube, es gab zwei wesentliche Gründe für die Auszeichnung. Zum einen unseren eher untypischen Ansatz, Tradition und Moderne zu verbinden, unsere sehr spezielle Mission und Vision sowie unsere empathische und werteorientierte Unternehmens- und Führungsphilosophie, zu deren Sprachrohr ich geworden war. Zum anderen hieß es in der Begründung der Jury, dass mein Engagement für die Branche, insbesondere während der Corona-Zeit, ein ausschlaggebender Punkt für diese große Ehrung war.

Caroline von Kretschmann stehend 1 - Kopie

"Unsere Mission ist es, einen Ort zu schaffen, an dem Menschen glückliche Momente erleben", so Dr. Caroline von Kretschmann.

Apropos Unternehmens- und Führungsphilosophie. In dem Podcast "Die Boss" vom Magazin Stern sagten Sie mal, dass nicht die Gäste die allererste Geige spielen, sondern die Mitarbeitenden. Was zeichnet Ihre Mitarbeiter aus und warum sind Sie mit diesem Konzept erfolgreich?
Unsere Mission ist es, einen Ort zu schaffen, an dem Menschen glückliche Momente erleben, und das beginnt bei uns mit den Kolleginnen und Kollegen. Sie sind das Beste, was wir haben und erweiterter Teil unserer Familie. Wir wollen, dass sie sich bei uns gesehen, gewertschätzt und gefördert fühlen, dass sie Freude bei ihrer Arbeit empfinden und dass sie ihr ganzes Potenzial entwickeln. Nur glückliche Mitarbeitende können unserer Erfahrung nach auch die Gäste glücklich machen. Und das hat bei uns nichts Transaktionales, sondern ist ein schönes Nebenprodukt dieser „Repriorisierung“, die manche als revolutionär bezeichnen. Wir sind nicht nett zu den Kolleginnen und Kollegen, damit diese nett zu den Gästen sind, damit wir mehr Umsatz machen. Für uns steht das Ökonomische nicht an erster Stelle, und uns treibt ein höherer Sinn. Geld ist für uns sinnentleert. Wir brauchen es, um zu wirtschaften, aber es ist nicht der Grund für unser Tun. Das speigelt sich auch in unserer Vision wieder. Wir wollen das herzlichstes und das persönlichste Luxushotel Deutschlands werden, nicht das rentabelste, größte oder umsatzstärkste.

 

Wie würden Sie den aktuellen Führungsstil im Europäischen Hof Heidelberg beschreiben?
Wir verfolgen im Europäischen Hof den Ansatz der dienenden Führung, der eingebettet ist in eine empathische Unternehmens- und Führungskultur. Dienende Führung beschreibt für uns einen Führungsstil, der die Mitarbeitenden und deren Bedürfnisse in den Fokus nimmt und zum Ziel hat, dass diese ihr ganzes Potenzial entfalten können. Die Führungskraft definiert bei diesem Ansatz ihre Rolle primär als Dienstleister und Unterstützer der Mitarbeitenden und sieht sich als aktiver Teil des Teams. Entscheidend sind aus unserer Sicht eine wertschätzende Haltung, ein hohes Maß an Empathie und ein aufrichtiges Interesse am Gegenüber. Wer führen will, muss aus unserer Sicht Menschen mögen. Wir hatten im Europäischen Hof Heidelberg schon immer eine sehr werteorientierte Führung. Führung wirkt immer in einem spezifischen gesellschaftlichen und unternehmerischen Kontext. So haben meine Urgroßeltern, meine Eltern und nun ich unseren werteorientierten Führungsansatz entsprechend der jeweils gültigen kontextuellen Rahmenbedingungen weiterentwickelt. Die Anforderungen an die Attraktivität von Arbeitsplätzen haben sich in den letzten Jahren grundsätzlich geändert. Frühere Generationen konnte man vielfach noch mit Karriereoptionen locken und zum Beispiel mit Firmenfahrzeugen, hohen Gehältern und Beförderungen motivieren. Heutzutage wollen viele junge Menschen tendenziell eine ausgewogene Balance zwischen Arbeits- und Privatleben, eine Aufgabe, der sie Sinn verleihen können, mehr Flexibilität, ein nachhaltiges Agieren des Unternehmens und eine gewisse Gemeinwohlorientierung der Unternehmung. Ich glaube, dass Führung nicht nur jetzt, sondern insbesondere in der komplexen, volatilen und unsicheren Zukunft kooperativer und empathischer werden muss und dass Führungskräfte eine dienende Haltung einnehmen sollten. Das ist aus meiner Sicht übrigens neben der verstärkten Digitalisierung und Automatisierung und der Rekrutierung von ausländischen Fach- und Arbeitskräften der wesentliche Ansatzpunkt gegen den Fachkräftemangel.

3. Zimmer (Alternative)

Welche Rolle spielt für gute Führung Vertrauen?
Der bekannte Soziologe Niklas Luhmann bezeichnete Vertrauen als die Strategie mit der größeren Reichweite und höchsten Effizienz. Für mich spielt achtsames – nicht blindes – Vertrauen eine zentrale Rolle in der Führung. Meine Erfahrung ist, dass je mehr Vertrauen man schenkt, desto mehr bekommt man zurück. Das erfordert wiederum Selbstvertrauen. Wer vertraut, verpflichtet andere zur Selbstständigkeit, zur Übernahme von Verantwortung und ermöglicht dadurch individuelles Wachstum. Es ist zutiefst berührend zu sehen, wie Menschen über sich hinauswachsen und zu was sie fähig sind, wenn man ihnen Vertrauen schenkt.

 

Ich verfolge regelmäßig auf den Social-Media-Kanälen Ihre coolen Tanzeinlagen und den freitäglichen Hotel-Wiki-Post. Wie ist die derzeitige Resonanz bei den Gästen, aber auch bei den Mitarbeitern, und warum gehen Sie so untypische Wege?
Wir bekommen sowohl von den Gästen als auch von den Mitarbeitenden sehr positives Feedback. Die Social-Media-Kanäle sind für uns eine einzigartige Möglichkeit, unsere Werte, unsere empathische Unternehmensphilosophie und unseren Ansatz der dienenden Führung auf sehr direkte Weise sichtbar und erlebbar zu machen. Der Europäische Hof ist für uns nicht nur ein Hotel, sondern auch ein Medium, um eine zutiefst menschenfreundliche und zugewandte Haltung in die Welt zu tragen. Zudem stellen wir über die sozialen Kanäle die wunderbaren Menschen hinter dem Hotel vor, erzählen Geschichten und wollen einfach positiv unterhalten. Neben der Wertschätzung für unser Team senden wir gleichzeitig die Botschaft, dass sich die Tradition der Grand-Hotellerie hervorragend mit einer modernen, empathischen und werteorientierten Unternehmensführung verbinden lässt. Wir sind kein Grandhotel, in dem man vor Ehrfurcht erstarrt, sondern eines, in dem man bei aller Professionalität laut lachen, weinen, herzlich und empathisch miteinander eng sein und streiten darf. Wir sind Musterbrecher aus Überzeugung und wollen unterschiedliche Welten verbinden. Auch das soll in unseren Posts deutlich werden. 95 Prozent des Contents entsteht übrigens spontan mit meinem Handy. Das macht es auch so authentisch. Es ist perfekt imperfekt.

5. Bar

Welche Visionen bzw. Ambitionen haben Sie für Ihre persönliche Zukunft?
Meine persönliche Zukunft und Ambition ist sehr eng mit unserem Familienunternehmen verbunden. Glücklicherweise liebe ich, was ich tue, und habe hier im Hotel meine Berufung und meinen Kraftplatz gefunden. Das Hotel nimmt viel Raum in meinem Leben ein. Mein Ziel ist es, diesen sehr besonderen Ort noch möglichst lange zu erhalten und gut in die nächste Generation zu übergeben. Wir spielen als Familienunternehmen das unendliche Spiel. Es geht nicht ums Gewinnen, es geht darum, möglichst lange im Spiel zu bleiben. Das tun wir im nächsten Jahr seit 160 Jahren.

Der Europäische Hof ist seit 2002 dem progros UNITED, dem Einkaufspool der progros, angeschlossen. Wie sind Ihre Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit progros?
Wir freuen uns über die langjährige und enge Partnerschaft mit progros. Durch den Einkaufspool profitieren wir von einer starken Verhandlungsposition, die uns Zugang zu sehr guten Konditionen und einer großen Auswahl an Lieferanten ermöglicht. progros bietet uns aber nicht nur attraktive Einkaufskonditionen, sondern unterstützt uns auch durch professionelle Beratung und innovative Lösungen, die uns helfen, unsere betriebswirtschaftliche Effizienz zu steigern. Besonders in einem Familienunternehmen, das wie unser Haus an 365 Tagen im Jahr höchste Qualität anbietet, ist es entscheidend, dass wir auf starke Partner wie progros zählen können, um auch weiterhin auf höchstem Niveau zu agieren. Unsere langjährige Zusammenarbeit ist geprägt von Vertrauen, Zuverlässigkeit und Respekt. Zudem schätzen wir sehr, dass progros auch Mitglied von FairJob Hotels ist und die gleichen Werte vertritt und lebt wie wir.

 

Liebe Caroline von Kretschmann, wir danken Ihnen ganz herzlich für das gute Gespräch und freuen uns auf die weitere erfolgreiche Zusammenarbeit.