Digitale Transformation: „Alles ist möglich“

Schneller, smarter, sicherer - wie verändern digitale und automatisierte Prozesse den Backoffice Bereich im Hotel? Wo liegen die konkreten Potenziale für die Hotellerie? Wir haben mit Sascha de Clerque, Geschäftsführer allinvos, gesprochen, wie Bestell- und Einkaufsprozesse durch Automatisierung optimiert werden können.
07/27/2018
Sascha de Clerque, Geschäftsführer von allinvos und Digital-Pionier
Sascha de Clerque, Geschäftsführer von allinvos und Digital-Pionier
1. Welche Knackpunkte im Backoffice gilt es zu beseitigen, wenn von „vollständig automatisierten und digitalen Lösungen“ die Rede ist?

 

SDC: Im Front Office-Bereich sind heute schon viele Prozesse digitalisiert und laufen komplett automatisch ab. Im Hintergrund eines Hotels sieht es aktuell noch ganz anders aus. Der so genannte „Backoffice Bereich“ – also Buchhaltung, Küche, Housekeeping, Technik und Einkauf – steckt in Bezug auf die technische Struktur der Prozesse noch vielfach in den Kinderschuhen. Hier wird vieles noch von Hand gemacht. Dadurch gibt es wenig Transparenz und der Personaleinsatz ist an vielen Stellen unnötig hoch. Gerade in einer Zeit, in der Fachkräfte und Arbeitszeit knapper werden oder sich Mitarbeiter noch stärker den Wünschen der Gäste zuwenden müssen, spielt Rationalisierung in den Prozessen hinter den Kulissen, also im Back of House-Bereich eines Hotels, eine herausragende Rolle und da ist Digitalisierung eine große Hilfe.

 

2. Was ist in der Praxis überhaupt möglich, wie weit kann die Automatisierung reichen, wo sind die Grenzen?

 

SDC: Theoretisch sind der Automatisierung keine Grenzen gesetzt. Das ist ja das Spannende an diesem Megatrend: Alles ist prinzipiell möglich. Das zwingt uns dazu, komplett neu zu denken – und das bringt natürlich auch viele Chancen mit sich. Ich bin überzeugt, dass die digitale Transformation auch im Backoffice in Zukunft nicht mehr wegzudenken ist – genauso, wie kein Hotel heute mehr ohne Front Office System arbeiten kann. Alles, was digitalisiert werden kann, wird auch digitalisiert. Und alles, was digitalisiert wurde, wird automatisiert. Wir denken da komplett aus Anwendersicht: Was braucht der Kunde, was ist sein Bedarf, und wie können wir ihm die tägliche Arbeit erleichtern. Aus dieser Betrachtungsweise heraus haben wir als Pionier im Bereich Procure-to-Pay für Hotellerie & Gastronomie die ersten Lösungen entwickelt, die auf künstliche Intelligenz setzen.

 

3. Sie sprechen von künstlicher Intelligenz im Procure-to-Pay Prozess. Was genau meinen Sie damit?

 

SDC: Wir haben in unseren Lösungen in Teilen schon eine künstliche Intelligenz (KI) implementiert, die im gesamten Procure-to-Pay-Prozess eingesetzt wird – also von der Online-Bestellung über die digitale Warenwirtschaft bis hin zum Online-Rechnungsmanagement und dem elektronischen Lieferschein. Diese KI erkennt, wenn der Preis, den ich z.B. für meine Tomaten bezahle, auf der Rechnung abweicht von dem Preis, zu dem ich die Tomaten laut Bestellung eingekauft habe. Außerdem gleicht unser System die Menge der erhaltenen Ware ab mit der bestellten Ware. Ergeben sich hier Differenzen, so werden diese dem Kunden direkt angezeigt, und er kann darauf reagieren – in Echtzeit. So bezahlt der Kunde nie mehr als er bekommen hat, und er bezahlt die Ware, die er zu einem Preis X bestellt hat, auch zu einem Preis X. Das geht sogar noch weiter: Unser System bietet optional ein Vertragsmanagement Modul, in dem alle Verträge meiner Kreditoren hinterlegt werden können. Das System ermöglicht somit den Abgleich zwischen Vertrag mit den Liefer- und Bestellkonditionen. Dadurch steigt auch die Transparenz, und die Compliance-Regeln sind leichter einzuhalten. Auch bilden wir Vertragslaufzeiten oder Kündigungstermine in diesem Vertragsmanagement ab.

Procure-to-Pay Prozess
4. Welche Vorteile ergeben sich daraus für das Hotel?

 

SDC: Die Digitalisierung in Einkauf, Beschaffung und Rechnungsmanagement ist eine Top Chance für die Hotellerie und Gastronomie. Mitarbeiter werden entlastet und können sich wichtigeren, umsatzwirksamen Aufgaben widmen. Die Vorteile lassen sich inzwischen sogar in Zahlen ausdrücken: So sind die Arbeitskosten viermal günstiger und die Prozessabläufe viermal schneller gegenüber manuellen Abläufen. Wir haben das im Rahmen einer Forschungsarbeit zusammen mit der Hochschule Heilbronn an mehreren Hotels gemessen. Kostete die Bestellung inklusive Rechnungsprüfung bei einem Hotel, das traditionell arbeitet, etwas mehr als 70 Euro in Arbeitskosten, so lagen die Arbeitskosten bei einem Hotel, das den Workflow – von der Bestellung bis zur Rechnungsfreigabe - digital abgebildet hat, bei nur etwas mehr als 20 Euro. Ein Vollhotel um die 100 Zimmer hat pro Jahr zwischen 1.000 bis 1.500 Bestellungen und genauso viele Rechnungen. Da kann man sich sehr schnell ausrechnen, wie groß allein der monetäre Arbeitskostenvorteil ist, wenn ich diese Dinge digital statt manuell abwickle. So können durch die intelligente Digitalisierung der Bestell- und Rechnungsmanagementabläufe bei den Prozesskosten Einsparungen von deutlich mehr als 50 Prozent erzielt werden.

 

5. Welche Vorbehalte seitens der Hoteliers gibt es und gilt es auszuräumen?

 

SDC: Wir sind mit unseren Technologien schon seit 2018 auf dem Markt, aber erst in den letzten zwei Jahren beginnt der Markt die Vorteile zu erkennen. Allen Kunden, denen wir unser Lösungen persönlich vorgestellt haben, konnten wir die Bedenken sofort nehmen und sie in der Regel direkt und langfristig überzeugen. Wir verlieren kaum einen Kunden, sobald er sich einmal für unser smarten Tools entschieden hat. Typische Vorbehalte, mit denen wir zu kämpfen hatten und teilweise noch haben, sind die Angst vor Veränderungen oder auch dem Wegfall von Arbeitsstellen. Dass sich im Zuge der Digitalisierung und Automatisierung etwas verändert, können wir nicht verhindern. Gerade dadurch ergeben sich aber Chancen, dass Mitarbeiter mehr Zeit für gewinnbringende Aufgaben bekommen.

 

6. Welche Herausforderungen gibt es bei einer Umstellung, und auf welche Punkte sollte dabei besonderes Augenmerk gelegt werden?

 

SDC: Die größte Herausforderung besteht darin, die Mitarbeiter im Hotel entsprechend mitzunehmen und durch uns schulen zu lassen. Vom Set Up her ist unsere Lösung extrem einfach, und sobald man einmal damit gearbeitet hat, ist sie auch selbsterklärend und intuitiv. Das war uns bei der Entwicklung extrem wichtig, genauso wie der Fakt, dass allinvos einfach per Schnittstelle an andere Systeme angebunden werden kann, wie z.B. die gängigen Finanzbuchhaltungen DATEV, Filosof, FibuNet, Navision, SAP etc.

 

7. Wohin geht die Reise in der Digitalisierung des Backoffices?

 

SDC: Es geht fast täglich weiter mit neuen digitalen Lösungsansätzen. Entwicklungen werden generell nie wieder so langsam sein wie heute. Das hat schon epochale Ausmaße, die vergleichbar sind mit den großen Veränderungen im Zeitalter der Industrialisierung. Künftig werden bei der Digitalisierung im Einkauf neben der vollautomatisierten Rechnungsfreigabe auf Basis vorliegender elektronischer Lieferscheine Themen wie prognostizierte Beschaffungsplanung durch die Verknüpfung von Back- und Front-Office-Systemen, die Sprachsteuerung wie Voice-to-Order sowie die Steuerung des Beschaffungsmanagements eine große Rolle spielen. Und der Bedarf an solchen Lösungen geht weit über die Hotellerie hinaus. Unsere Leistungen werden mittlerweile auch nachgefragt im Dienstleistungssektor, im Handel, im Bereich Health Care und der Gastronomie.