Verhandlungsführung: Von Strategie bis Facereading

Verhandlungsführung: Von Strategie bis Facereading

"Vertrauen ist die teuerste Währung der Welt", und, "bei Geld hört die Freundschaft auf"…beides, Vertrauen als auch Geld, sind die zentralen Punkte im Einkaufsmanagement und der nachhaltigen Kostenoptimierung. Und somit sind sie auch die Hauptpunkte in nahezu jeder Verhandlung, die wiederum die Grundlage von neuen Geschäftsabschlüssen, Vertragsverlängerungen oder der regelmäßigen Überprüfung der Sinnhaftigkeit und Qualität einer bestehenden Zusammenarbeit ist. Zwischen 120 und 200 Lieferantengespräche führt ein Hotel durchschnittlich pro Jahr. Jedes dieser Gespräche – und sei es noch so klein oder kurz - ist eine Verhandlung. Denn es geht in diesen Gesprächen nahezu immer um Kosten, neue oder ausgelistete Produkte, Bestell- und Lieferbedingungen, Produktqualitäten oder die Gesamt-Performance des Lieferanten. Also alles Aspekte, die stets etwas mit Geld und Vertrauen zu tun haben. Nur 25% aller Lieferantengespräche werden jedoch strukturiert und strategisch angegangen (Quelle: Studie „GUESS“, H-InfaM - Heilbronner Institut für angewandte Marktforschung).

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Strategie ist der Sieg der Einfälle in der Vorbereitung über die Zufälle in der Durchführung

Woran fehlt es also? In den meisten Fällen an der strategischen Vorgehensweise. "Strategie ist der Sieg der Einfälle in der Vorbereitung über die Zufälle in der Durchführung" (Zitat: www.friedergamm.de). Auf die Vorbereitung fällt der mit Abstand größte Teil der Verhandlungsstrategie. Sie ist Grundlage für den Erfolg! Und genau daran "scheitert" es vielfach in der Praxis. Warum: In den Hotels ist Zeit immer knapp; operative Aufgaben gewinnen kurzfristig eine vermeintlich höhere Priorität. Deswegen sollten Lieferantengespräche, die stets Verhandlungen sind (!), nicht aus der vermeintlich gefühlten Position der Stärke ad hoc und unter Zeitdruck im "schnell schnell" geführt werden, sondern idealerweise erst dann, wenn sie frühzeitig und ordentlich vorbereitet worden sind und es eine klare Zielsetzung und Strategie gibt.

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"Strategie ist der Sieg der Einfälle in der Vorbereitung über die Zufälle in der Durchführung" - der Großteil der strategischen Verhandlungsführung macht die Vorbereitung aus.

Win-Win-Prinzip

"Das Geheimnis der Verhandlung liegt darin, die wirklichen Interessen der betreffenden Parteien in Einklang zu bringen" (Francois des Callieres, 1645-1717). Das Ziel einer erfolgreichen Verhandlung ist herauszufinden, was der oder die andere will, was er oder sie bereit ist, zu geben, oder was er oder sie unbedingt haben muss. Es geht darum, die Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten, die es auf beiden Seiten gibt (Win-Win-Prinzip). Jede Verhandlung, bei der es einen Gewinner und einen Verlierer gibt, weil man die wahren Interessen überspielt oder weggedrängt hat, ist, wenn überhaupt, nur von kurzfristigem Erfolg gekrönt. Über kurz oder lang wird jedes einseitige Verhandlungsergebnis in sich zusammenfallen. Das zeigt auch der aktuellen Weltenlauf.

 

Meta-Ebene & Wertschätzung

Gleich, um welche Verhandlungsthemen es geht, ist es ratsam, mental auf der Meta-Ebene zu bleiben. Auf dieser Ebene kann man am besten agieren und unbefangen reagieren. Emotionen bleiben außen vor, was für jede Verhandlung der zentrale Schlüssel ist, es sei denn, man setzt Emotion gezielt als taktische Maßnahme in der Verhandlung ein.

Zu jeder Verhandlung gehört auch Wertschätzung des Verhandlungspartners: Kurze Wartezeiten, Pünktlichkeit, respektvolles Verhalten, keine Überheblichkeit aus einer vermeintlichen Position der Stärke heraus, professionelle Platzierung für ungestörtes Arbeiten, technische Unterstützung wie W-LAN-Zugang, kostenfreies Parkticket und anderes mehr…das ist der "Stil", der zu einer Hotellerie passt, die für ein positives Image in der Gesellschaft insgesamt stehen will.

 

Verhandlungspartner "lesen" können

"Man lügt wohl mit dem Munde; aber mit dem Maule, das man dabei macht, sagt man doch noch die Wahrheit." (Friedrich Nietzsche). 93% unserer Kommunikation – auch in der Verhandlung – ist nonverbal oder paraverbal; nur 7% in etwa entfallen auf das Gesagte (Quelle: www.tudresden.de). Daher ist die bewusste Analyse nonverbaler oder paraverbaler Signale innerhalb jeder Verhandlung durch das professionelle "Lesen" von Mimik, Gestik, Körpersprache, Stimme und Stimmlage unerlässlich.

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93% der gesamten Kommunikation ist nonverbal und paraverbal; nur 7% fallen auf das tatsächlich Gesprochene.

Nur 31% der Hotels investieren in Weiterbildung

Nahezu jede Führungskraft in einem Hotel trifft laufend Einkaufsentscheidungen, ist an Lieferantengesprächen beteiligt oder führt anderweitige Verhandlungen. Doch wie sieht es mit den Kenntnissen in der Verhandlungsführung aus? Wie fit sind wir in punkto Vorbereitung, Strategieentwicklung, Fragetechniken, Facereading, Rhetorik? Die Studie "GUESS" (H-InfaM - Heilbronner Institut für angewandte Marktforschung) hat ermittelt, dass gerade einmal 31% aller Hotels in Weiterbildung im Bereich Einkauf investieren. Ein Bruchteil davon entfällt auf Verhandlungsführung. Vor dem Hintergrund, dass 30% vom Umsatz eines Hotels auf direkte Einkaufskosten entfallen, jährlich bis zu 200 Lieferantengespräche geführt und der Gewinnfaktor der Einkaufsoptimierung bei 1:10 liegt (Hotel mit NOP 10%), ist die Weiterbildung – vor allem in strategischer Verhandlungsführung – ein wichtiges Instrument in Zeiten weiterwachsender Kosten.

Verhandlungsvorbereitung – das gehört dazu:

  • Worum geht es bei dem Termin?
  • Welche Ziele habe ich? Was will ich mit dem Gespräch erreichen?
  • Welche Daten brauche ich für das Gespräch?
  • Was weiß ich über den Lieferanten (Umsätze, Marktentwicklung, Konkurrenz etc.)?
  • Welche Personen nehme ich mit in die Verhandlung?
  • Wer kommt von Lieferantenseite zu dem Termin und habe ich deren Profile gecheckt?
  • Welchen Ort wähle ich für die Verhandlung?
  • Welche Strategie verfolge ich in der Verhandlung (Druck, Kooperation, Ausweichen, Nachgeben - oder eine Kombination daraus)?
  • Wie sieht meine "Fragenstraße" aus?
  • Welchen Plan "B" habe ich?
  • Wer muss über das anstehende Gespräch informiert werden?
  • Wer macht die Zusammenfassung des Gesprächs und bis wann?
  • Habe ich Zeit für die Nachbereitung geplant und wo dokumentiere ich transparent die Ergebnisse?

Verhandlungsdurchführung – das gehört dazu:

  • Pünktlichkeit, Begrüßung & Wertschätzung
  • Platz, Getränk, ggf. kostenfreies W-LAN anbieten
  • Warm up-Phase mit Small Talk
  • Einleitung zum Thema, worum es bei dem Gespräch geht inklusive Festlegung Zeitrahmen und Vorstellung der Teilnehmenden
  • Besprechung der Punkte und Ausloten der Argumente
  • Laufendes Monitoring in der Verhandlung, das Ziele und geplante Strategien (Plan "A" und Plan "B") nicht verschoben werden
  • Nonverbale Zeichen "lesen" und registrieren (Facereading; Bodyscan)
  • Zusammenfassung der Ergebnisse
  • Bestätigung einholen, ob alles richtig verstanden wurde und ob Einigkeit besteht
  • Cool down-Phase mit Small Talk
  • Verabschiedung

Verhandlungsnachbereitung – das gehört dazu:

  • Zusammenfassung der Ergebnisse
  • Soll-Ist-Analyse der Ziele und Ergebnisse
  • Maßnahmen und nächste Schritte festlegen
  • Kommunikation intern
  • Bei Vergabegesprächen "Verlierer" höflich und wertschätzend absagen inklusive Danke