Einkauf unter Druck

Der Einkauf steht unter Druck wie lange nicht mehr! Der nächste, zumindest temporäre Negativ-Effekt, der die Hospitality Branche in dieser Krise ereilt? Hatten wir vor 16 Monaten – also vor Corona und den repressiven lockdowns – noch paradiesische Zustände mit großer Auswahl, günstigen Preisen und wahrem Produktüberfluss, so dreht sich das Bild rapide. Sei es Holz, Elektroartikel, Baustoffe wie Farben, Fassbier und vieles andere mehr – der Beschaffungsmarkt ist von teilweise scharfen Preissteigerungen, Lieferengpässen, -verzögerungen oder -ausfällen gezeichnet. Schon lange nicht mehr war so viel Bewegung zu verzeichnen wie aktuell.

 

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Jochen Oehler, Geschäftsführer

Klopapier- und Nudeleffekt jetzt auch bei Chips

Die Ursachen für die akute Veränderung des Beschaffungsmarktes sind vielschichtig. Zum einen liegt es an der globalen Produktions- und Logistikkette. Denken wir an „Ever-Given“, querstehend im Suez-Kanal mit tagelangem Stau von Container-Schiffen, was zu teilweise erheblichen Lieferverzögerungen auch für Deutschland führte – unter anderem bei Baumwolle und Bettwaren, Tests und Masken. Oder der Brand bei Renesas in Japan, einem der großen Chiphersteller weltweit. Er verstärkte den sowieso schon bestehenden Engpass von Chips: Zum einen hat heute nahezu jedes noch so unbedeutende technische Gerät Chips verbaut, was schon von Grund auf zu einer überhohen Nachfrage und entsprechenden Preisentwicklung führt. Zum anderen wird „gebunkert“. Die Märkte sind leer gekauft und leer gehortet. Den „Klopapier- und Nudel-Effekt“, den wir während des ersten Lockdowns beobachtet haben, gibt´s jetzt also auch bei Chips & Co. Kommt dann ein Brand wie bei Renesas dazu, wirkt das Ganze auf Produktknappheit und Preissteigerungen wie ein Brandbeschleuniger. Einkauf unter Druck - auch andere Bereiche, die für unsere Branche wichtig sind, sind betroffen. Zum Beispiel Holz für Möbel oder den Innenausbau: Teilweise gibt es lange Lieferzeiten oder gar keine Liefermöglichkeiten oder die Preise sind exorbitant hoch. Das liegt am „Ausverkauf“ europäischen Holzes nach Amerika und insbesondere China. Es gibt Betriebe, die ihr Holz inzwischen aus China reimportieren – und das zu einem günstigeren Preis als in Deutschland angeboten. Verkehrte Welt. Verteuerungen oder Engpässe gibt es bei weiteren Baustoffen oder bei Farben. Die Auswirkungen? Die direkten Einkaufskosten in Summe steigen - stellenweise sogar erheblich – zum Teil im hohen zweistelligen oder niedrigen dreistelligen Prozentbereich. Zweite oder dritte Budget-Nachträge bei Bauprojekten sowie Renovierungen melden seit einigen Wochen Investoren und Betreiber.

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Leere Lager und geschrumpfte Volumen

Die Situation spitzt sich für die Hospitality Branche aber auch dadurch zu, dass viele Lager komplett leer sind und diese Tage kurzfristig schnell aufgefüllt werden müssen aber Waren entweder überteuert oder gar nur eingeschränkt verfügbar sind. Belastend auf die Kostenentwicklung wirkt ebenfalls, dass bei nahezu allen Betrieben die Einkaufsvolumina drastisch eingebrochen sind und daher vielfach die Grundlagen und Ansprüche für vertraglich verhandelte Volumenpreise sowie hohe Rückvergütungen bei bestehenden Lieferpartnern wegfallen. Die Community steht also nicht nur unter Umsatz- sondern jetzt akut in vielen Bereichen unter einem sich verschärfenden Einkaufskostendruck.

 

Entspannung Mitte 2022

Es ist noch ein strammer Weg zu gehen, bis sich die Märkte – Prognose Mitte 2022 – wieder normalisiert haben, sofern keine neuen Krisen auflodern. Um diese neuen Herausforderungen zu lösen, braucht es zwei Ansätze: Einen kurzfristigen und einen langfristigen, also strategischen. Zum kurzfristigen Ansatz gehört, die neuralgischen Beschaffungsbereiche zu identifizieren und zu prüfen, wie planbar die Liefer- und Preissicherheit ist und welche Alternativprodukte oder Lieferquellen es gibt.

 

Als neuralgisch werden hierbei diejenigen Sortimente & Produkte eingestuft, die eine hohe Versorgungs-, Umsatz- oder Qualitätsrelevanz für den Betrieb haben. Natürlich spielen Preise und Konditionen eine weitere zentrale Rolle, die kurzfristig für eine längere Laufzeit fixiert werden sollten, sofern sich der Lieferpartner darauf einlässt und überhaupt über die wirtschaftlichen Möglichkeiten verfügt. Unter die kurzfristigen Maßnahmen fällt – wer die Flächen hat - die Erweiterung des Lagerbestandes, um für einen etwas längeren Zeitraum einigermaßen kostenstabil autark sein zu können. Dies kann im ungünstigen Fall jedoch zu Lasten der Angebotsauswahl an Frischeprodukte gehen.

 

Transformation im Einkauf – auch die Banken danken

Einkauf unter Druck – die teilweise erheblichen Produktengpässe und Preissprünge treffen die Hospitality Branche in bestimmten Sortimentsbereichen recht kurzfristig, vielfach überraschend und teilweise heftig. Und nun? Die Entwicklungen sollten als positiver Impuls genutzt werden. Für Morgen. Schluss mit dem ewigen „Klein-Klein“, einer unüberschaubaren Lieferantenflut und unstrukturierten Sortimentsgestaltung. Schluss mit übertriebener Emotionalität beim Einkauf von Produkten, von der am Ende weder beim Gast noch in der „Kasse“ was ankommt. Jetzt ist es an der Zeit, den Einkauf umzubauen, ihn auf Zukunft zu trimmen und zu einem vollwertigen, professionellen „Supply Chain Management“ zu entwickeln. Sicher ist sicher - auch als Vorsorge für zukünftige Marktschwankungen. Das Ergebnis dieser Transformation führt zu besseren Betriebs-, Prozess- und Einkaufsergebnissen. Darüber hinaus baut es das Vertrauen bei Banken & Investoren aus, die bei ihren Bewertungen ein immer stärkeres Augenmerk auf Einkaufs-, Prozess- und Kostenmanagement sowie den Digitalisierungsgrad legen.

5 strategische Lösungsansätze

Neben dem kurzfristigen gibt es den strategischen Ansatz, der langfristig wirkt und hilft, Kosten, Prozesse & Einkauf bestmöglich zu optimieren:

 

1. Back-up“ -nachhaltiger Kontaktaufbau zu alternativen Lieferanten in allen neuralgischen Sortimentsbereichen, auf die im Bedarfsfalle zurückgegriffen werden kann (fall-back-Strategie).

2. „Partnership“ - Gelebte Lieferantenpartnerschaft. Nicht geheuchelt, sondern echt und verbindlich. Genau in diesen Zeiten zeigt sich, wie „belastbar“ eine Lieferantenbeziehung ist und sein muss. Wurde sie auch bisher wertschätzend gelebt, so zahlt sich das ebenfalls in Zukunft aus.

3. „Reduce to the max“ – Sortimentsstraffung. Der „evergreen“. Wie tägliches Zähneputzen. Optimierung und Straffung des Food- & Beverage-Angebots getreu dem Motto „reduce to the max“. Die Sortimente konzentrieren und Qualitäten verbessern. Gleiches gilt auch für die Verbrauchsartikel im Non-Food-Bereich.

4. „Planning“ - Frühzeitige und gesteuerte Beschaffungsplanung – „guter Einkauf kostet Zeit, schlechter Einkauf kostet Geld“. Durch Produktengpässe sowie schnelle Preisbewegungen werden das Sourcing sowie der Abstimmungs-, Verhandlungs- und der Vergabeprozess anspruchsvoller. Für die Umsetzung, das Controlling und die Steuerung braucht es einen oder mehrere Profis im Betrieb, die ausgestattet werden müssen mit Kompetenz und Zeit, ohne dass ihre eigentliche Arbeit am und für den Gast darunter leidet.

5. „Digitalization“ – Soviel wie möglich, so wenig wie nötig. Logische Digitalisierung des gesamten Bestell-, Lager- und Rechnungsmanagements. Idealerweise auf einer eigenen, lieferantenunabhängigen Order- und Invoice-Plattform für alle Produkte aus dem Food-, Beverage- & Consumable-Bereich. Zum einen hilft die Digitalisierung bei der Prozessqualität als auch Prozessbeschleunigung und erheblichen Entlastung der Mitarbeiterkapazitäten. Zum anderen verschafft sie „24/7 self-service- und just-in-time-Transparenz“ – zum Beispiel auch bei Einkaufspreisbewegungen - durch den Datenzugriff von überall zu jeder Zeit.

 

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